12.03.2013 - Thema Datenschutz und Arbeitsbedingungen

Modern Stalking - Schmerzgrenze Überschritten

Wie der missbräuchliche Umgang mit GPS-Ortung unsere Arbeitsbedingungen verschlechtert

Taxifahrer war noch nie ein leichter Beruf, und ist gewiss nicht für jedermann oder -frau das richtige. Dennoch war er, dank vieler kleiner Freiheiten, trotz langer Arbeitstage mit Privat- und Familienleben vereinbar. Bislang arbeiteten wir selbstverantwortlich, aber auch selbstbestimmt. Mit dem Einzug moderner GPS-Technik steigt der Kontrolldruck weiter an. Immer mehr Taxi-Unternehmer missbrauchen ihre neue Macht durch die Überwachungstechnik des Taxi-Rufs. Nun ist die Schmerzgrenze schlechter Arbeitsbedingungen überschritten.

Jeder von uns hat seine Gründe warum er Taxi fährt. Und wenn man ganz ehrlich ist, haben wir uns auch nicht den einfachsten Beruf ausgesucht. Die Verdienstmöglichkeiten und die Arbeitsbelastung, Lohnfortzahlung bei Urlaub oder im Krankheitsfall, keine freien Feiertage, arbeiten am Wochenende, jede Nacht, Verdienst rein auf Provisionsbasis, keine Betriebsräte, keine Mitbestimmung, keine schriftlichen Arbeitsverträge, 60-Stunden-Woche, Lohnabsenkung, das Rumärgern mit der Taxizentrale und auch mit Kollegen und Fahrgästen, die oft nicht korrekt angegebenen Lohnsummen auf der Abrechnung und die daraus resultierende geringe Rente und Krankengeld sind nur einige wenige Beispiele, die jeden anderen „normalen“ Arbeitnehmer die Haare zu Berge stehen lassen. All dies haben wir immer mit uns machen lassen. Natürlich stellt sich die Frage warum?

 

Sobald man morgens oder abends in die Taxe eingestiegen war und die Tür geschlossen hat, war man „sein eigener Chef“. Was dann in den nächsten 12 Stunden geschah, ging einem nur selber etwas an. Man war selber dafür verantwortlich wie, wo, wann und warum man seinen Umsatz zusammen bekommt. Man hatte die Freiheit, dass einem über die gesamte Schicht hinweg jede Entscheidung selbst überlassen war. Wir arbeiteten selbstverantwortlich, aber auch selbstbestimmt. Ob es nun die Halteplatzwahl oder die Wahl der Strecke, die man zurückgelegt hat, war. Es hat niemanden gekümmert. Letztendlich kam es nur darauf an dass man so viel wie möglich Umsatz macht und dementsprechend verdient. An diese Freiheit hat man sich geklammert. Genauso wie an die Freiheit mal eine halbe Stunde später anzufangen oder einfach mal den Wagen eine Stunde eher abzustellen, wenn an ruhigen Tagen die Standzeiten mal wieder zu lang wurden. Genauso wie zwischendurch mal kleine private Besorgungen zu machen. Kein Hahn hat danach gekräht. Es wurde von den Unternehmer auch toleriert. Wenn man 5-6 mal die Woche teilweise mehr als 12 Stunden im Auto sitzt hat man verdammt nochmal auch das Recht, mal für eine halbe Stunde etwas anderes zu erledigen. Arzttermine, Einkäufe, Bankgeschäfte, Unaufschiebbares eben.

 

Dies alles war auch nie ein Thema. Man hat seinen Umsatz gemacht, sein Geld (und das für den Chef)  verdient und ist nach hause gefahren. Wie, wann, warum und wo hat nie jemanden interessiert. Es war die letzte Freiheit, die diesen Job so schön gemacht hat. Man war sein eigener Herr. Wenn man schon nicht viel Geld verdient kann man wenigstens so arbeiten wie man es für richtig hält.


Durch die Trackingfunktionen für die Taxenunternehmer wurde uns diese letzte Freiheit genommen! Auf den Betriebshöfen müssen sich die Fahrer rechtfertigen - warum sie "nur" 10 Stunden täglich arbeiten, warum sie "erst" um sieben Uhr morgens angefangen haben, oder warum sie sich erdreisteten, für einen Arztbesuch ihr Handy zwei Stunden auf "stumm" zu schalten. "Kein Wunder, dass du nichts einfährst, wenn Du die ganze Zeit zuhause bist. Du fängst auch immer später an oder hörst immer früher auf.“

 

Das sind mitnichten  "Kutschergeschichten", sondern das ist leider Realität. Da materialisiert sich ein Menschenbild, das wohl beinhaltet, dass ein Angestellter allen Gesetzen zum trotz 60 Stunden die Woche zur Verfügung zu stehen hat. Selbst unsere Grundrechte, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, möchte man uns nehmen. Und wofür? Für wenige Euro mehr Gewinn pro Schicht für den Taxi-Unternehmer?

 

Das gab es früher alles nicht. Durch diese permanente Überwachung sind diese Konflikte erst entstanden. Taxi fahren ist nun mal nicht ein „normaler“ Job den man einfach so mit anderen vergleichen kann. Die gesamte Verantwortung und das gesamte Risiko müssen wir tragen. Das kann nur funktionieren, wenn man dann auch in Ruhe gelassen wird. Durch ewiges anrufen und die ständige Überwachung wird dieser Job unter diesen Umständen einfach unerträglich. Wenn man sich die ganze Zeit beobachtet fühlt und jeden seiner Schritte später rechtfertigen muss, entsteht ein nicht mehr zu akzeptierendes Arbeitsklima.

 

Doch noch mehr Druck, zusätzlich zu einem 11 Stunden am Arbeitstag für 50 € Nettolohn, führt zu mehr Fehlzeiten, noch weniger Arbeitsleistung und weniger Umsatz. Unzufriedene Fahrer machen nicht mehr Umsatz. Eher das Gegenteil ist der Fall - das Ablehnen von Kurztouren, oder der schlechtgelaunte, unausgeschlafene und tolllpatschige (weil überarbeitete) Fahrer verschreckt Stammkundschaft. 

 

Jeder Unternehmer, der dieses Portal nutzt, sollte einfach mal an die Zeiten zurückdenken, in denen er selber noch auf der Taxe saß. Wie hätte er das gefunden? Hätte er das mit sich machen lassen? Wäre er damit glücklich gewesen permanent überwacht zu werden und sich anschließend rechtfertigen zu müssen?

 

Dies sind nur einige wenige Beispiele um die tagtägliche Situation darzustellen. Unabhängig von der Rechtslage ist dieser Zustand schon allein aus moralischen Gründen einfach nur das Allerletzte. Bis vor drei Jahren hat auch alles wunderbar funktioniert. Lasst uns wieder zum alten Zustand zurückkehren und in Ruhe wieder zusammenarbeiten. Wir können alle davon nur profitieren.

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Dazu eine ältere Meldung zum Winke-Tarif vom 11.09.2017

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