Der monopolistische Unternehmerverband Taxi-Ruf Bremen e.V. lässt die über 1500 Arbeitnehmer seiner Mitgliedsbetriebe lückenlos überwachen und gibt personenbezogene Daten von Kunden und Angestellten freizügig an Dritte weiter. Dabei werden gezielt Daten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle erhoben und ausgewertet. Im Folgenden informiert die IG Bremer Taxifahrer die Öffentlichkeit über die Überwachungsfunktionen der Fahrzeughalter.
Bremer Taxi-Unternehmer haben sich im Taxi-Ruf zusammengeschlossen, um eine gemeinsame Zentrale zu betreiben. Der Taxi-Ruf Bremen benutzt ein computergestütztes Vermittlungssystem auf GPS-Basis der Firma Gefos – wie übrigens mindestens 18 weitere Taxizentralen in Deutschland mit insgesamt 9045 Funkwagen (lt. Kundenübersicht der Firma Gefos). Dabei sind in allen Fahrzeugen der angeschlossenen Unternehmer Rechner mit einem Sender (Mobilfunk/Handy) und GPS-Empfänger verbaut. Diese Unternehmer sind meist Arbeitgeber der Fahrer und Fahrerinnen, d.h. solange sie nicht selber als Fahrer arbeiten. Die Bremer Unternehmer vermitteln bis auf verschwindend wenige und seltene Ausnahmen keine Fahraufträge an ihre Fahrer; eine Vermittlung durch den Fahrzeughalter über das System des Taxi-Ruf ist nicht erwünscht und wird vom Taxi-Ruf entsprechend degoutiert.
Ruft ein Kunde bei der Zentrale unter der Bremer Rufnummer 14014 an, um ein Taxi zu bestellen, so wird sein Gespräch aufgezeichnet, ohne dass er in den meisten Fällen davon unterrichtet wird. Die Unterrichtung darüber erfolgt erst bei längeren Wartezeiten durch eine Bandansage. Die Speicherdauer der Gesprächsmitschnitte ist grundsätzlich nicht begrenzt und wird auch nicht unabhängig kontrolliert. Gleiches gilt für Telefongespräche zwischen Fahrern und Zentrale. Die Gespräche dort werden fahrzeugbezogen und personenbezogen gespeichert. Die Zentralenmitarbeiter geben die Kundendaten in ihr System ein, wobei die Anzeige der meisten Adressen bereits durch die CLIP (Rufnummernübermittlung) und Datenbanken automatisch erfolgt.
Der Computer ermittelt (theoretisch) das nächste freie Taxi, was an der Reihe ist, und schickt den Auftrag mit Datenfunk auf ein Display im Taxi. Dort bleiben die Fahraufträge und Kundendaten gespeichert und sind auch für andere Fahrer der nachfolgenden Schichten sichtbar. Die Fahraufträge bleiben außerdem in der Zentrale aufgezeichnet und sind 72 Stunden rückwirkend für Unternehmer und weitere Dritte einsehbar. Der Zugang für Fahrer und andere Personen zu Kundendatensätzen von Fahraufträgen der vorhergehenden Schichten kann nur noch mit Schlampigkeit erklärt werden, da jeder Fahrer sich mit Fahrernummer und PIN am System anmelden muss.
Praktisch jedoch werden die Taxen nicht nur zur Vermittlung, sondern etwa zweimal in der Minute zur Überwachung geortet, unabhängig davon, ob ein Fahrauftrag verteilt werden soll oder nicht. Es werden nicht nur die Standorte mit Adressen gespeichert, sondern auch Aktionen, die der Fahrer am Rechner im Fahrzeug unternimmt:
Was außerdem kaum jemand weiß: Von dem Bildschirmdisplay des Datenfunks in der Taxe wird alle 15 Sekunden ein "Screenshot" (=Fotografien) angefertigt. Damit werden selbst alle einzelnen Aktionen des Fahrers dokumentiert, vom Fernsehprogramm bis zum Quittungsdruck. Laut mündlicher Mitteilung ist dies ein Abfallprodukt der schlecht realisierten "Kameraüberwachung". Es werden keine Standbilder der Kamera gespeichert, sondern Screenshots des Datenfunkdisplays.
Zur Vermittlung von Fahrten ist diese Datenerhebung nicht nötig, denn bei über 90 % der Fahraufträge wird die Tour an das erste Taxi am nächstliegenden Taxiplatz vermittelt, denn durch das Überangebot stehen dort meist wartende Taxis. Hier würde die einmalige Abfrage genügen nach dem Schema
Bei sogenannten „Raumangeboten“ würde die Ortung des Taxis im Augenblick der „Bewerbung“ genügen. Zur innerbetrieblichen Organisation reicht dabei eine ständige Ortung des Taxis z.B. nach PLZ vollkommen aus.
Eine Speicherung der Daten über das Schichtende hinaus ist dabei auch nicht notwendig. Derzeit sind die Daten für die Fahrzeughalter 72 Stunden rückwirkend abrufbar. Es ist davon auszugehen, dass die Daten länger gespeichert bleiben und nur die Abfragemöglichkeit eingeschränkt ist.
Eine sekundengenaue Speicherung der genauen Adressdaten/Tracking ist nicht zur Fahrauftragsvermittlung notwendig. Sofern manche Unternehmer eigene Fahraufträge an ihre Angestellten erteilen, wäre dies auch mit anderen Mitteln zu erreichen. Angemessen und ausreichend wäre z.B. auch eine Anzeige nur der freien Taxen z.B. nach PLZ denkbar, wobei natürlich andere Voraussetzungen erfüllt werden müssten (Dokumentation, Unterrichtung, Betriebsvereinbarung, neutrale Kontrollmöglichkeit).
Die Daten werden Dritten (den Fahrzeughaltern der Mitgliedsbetriebe) in einem so genannten „Halterportal“ vom Taxi-Ruf zur Verfügung gestellt. Mit Unternehmernummer als Anmeldenamen (im Allgemeinen den Betriebsangehörigen bekannt) und einem Passwort können sie für die Fahrzeuge eines Betriebes eingesehen werden. Mit nur leicht fortgeschrittenen Kenntnissen könnte man sich aber auch gänzlich unbemerkt als Außenstehender dort „rein hacken“, da das „Halterportal“ außer Anmeldenamen und Passwort über keine zusätzlichen Sicherheitshürden verfügt. Entsprechende Software kann sich jeder Laie herunterladen. Zudem können Passwörter auch erraten werden, wenn die Unternehmerdaten wie „Anmeldenamen“ meist einem größeren Personenkreis bereits bekannt sind.
Die Zugangsdaten werden auf regelmäßiger Basis auch ganz öffentlich weitergegeben, so z.B bei einer bekannten Firma, die insgesamt ca 12 Taxenkonzessionen im Stadtgebiet besitzt. Dort machen Angestellte regen Gebrauch von der Überwachung, auch ohne schriftliche Vereinbarungen/Aufklärungen.
Gespeichert und weitergegeben werden neben Kundendaten (Name, Adresse, teilweise Telefonnummer, Angaben zum Kostenträger (z.B. Krankenkasse, Arbeitgeber, Firma etc.)), Fahrpreisangaben, eben auch die sekundengenau geloggte Fahrtstrecke mit Start- und Endpunkt. Es können damit auch Bewegungsprofile von Kunden erstellt werden.
Die Bewegungsprofile können in der zur Verfügung gestellten Software kartografisch aufbereitet und angezeigt werden (siehe Bild oben)
Betroffen sind auch die Fahrerdaten: Gespeichert und angezeigt wird mit jedem Taxi der im System angemeldete Fahrer mit Vor- und Zuname, Telefonnummer, augenblicklicher Position, Status, Arbeitsbeginn und Arbeitsende. Fahrer- bzw. taxibezogen kann das Bewegungsprofil ausgewertet und die dazugehörigen Fahraufträge mit Kundendaten eingesehen werden. Die Daten bleiben unbestimmte Zeit gespeichert und können von jedermann, der sich in das „Halterportal“ einloggen kann, eingesehen werden.
Damit nicht genug, betreibt der Taxi-Ruf Bremen eine äußerst peinliche Datensammlung zu Fahrern. Hierzu wurde das Geld der Mitglieder investiert, um ein Portal zu programmieren, über das Kunden persönliche Daten über Fahrer in eine Datenbank einpflegen sollen. Bislang ist der Taxi-Ruf Bremen e.V. die einzige Zentrale, die so weit geht.
Kunden werden mit Prämien belohnt, wenn sie dem Taxi-Ruf Bremen personenbezogene Daten, die teilweise sogar die Privatsphäre betreffen, zukommen lassen. Abgefragt werden auf der Seite www.taxi-check.de Daten wie „Auftreten des Fahrers“, „Kleidung des Fahrers“, „Fahrstil“, „Verstöße gegen die StVO“ und vieles mehr. Unter anderem ist jeweils ein Feld „Bemerkungen“ zur freien Texteingabe vorhanden. Da insbesondere Kleidung und evtl. „Bemerkungen“ sehr private Details verraten können, ist dies ein besonders eklatanter Verstoß gegen den Datenschutz. Angemerkt werden muss auch hier, dass die Fahrer nicht beim Taxi-Ruf angestellt sind, sondern bei den Taxi-Unternehmern. Letztere finanzieren die Zentrale, die die Auftragsverteilung vornehmen soll.
Es gibt keine Betriebsvereinbarungen, da es noch keinen Betriebsrat gibt - die Bedenken der Fahrervertretung IG Bremer Taxifahrer wurden nicht berücksichtigt.
Die Fahrer wissen ebenso wie die Kunden i. d. R nichts Genaues und sind sich über den Umfang der Datenerhebung nicht im Klaren. Selbst jene, die es vielleicht erahnen, sind nicht mit ihren Rechten vertraut und lassen sich ahnungslos ausspionieren und sind Mobbing, Überwachung und ständigem Leistungsdruck ausgesetzt. Bis vor kurzem hat der Taxi-Ruf die Fahrer gezwungen, einen sogenannten Gestattungsvertrag zu unterschreiben, in dem der Fahrer sich zwangsweise mit dem Anlegen eines Bewegungsprofils einverstanden erklären sollte.
An dieser Stelle muss explizit herausgehoben werden, dass die Fahrer in Bremen ausschließlich mit einer Provision vom Umsatz entlohnt werden und keinen Festlohn erhalten. Eine Minderleistung, wie theoretisch unterstellbare Arbeitsverweigerung z.B., würde sich also ohnehin direkt auf die eigene Entlohnung auswirken. Eine Leistungskontrolle wäre dadurch noch weniger begründbar.
Als Technologiebeauftragter wird der zweite Vorsitzende Wolfgang Verbeek vorgestellt. Inzwischen stellte sich für uns durch die Nachfragen des für Arbeitnehmerdatenschutz zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten heraus, dass das Vorgehen -entgegen kursierender Gerüchte- (natürlich) nicht "abgesprochen" war. Ob Verbeek als "Verantwortlicher" im eigentlichen Sinne gelten kann, können wir nicht beurteilen. Die Entscheidung, dieses rechtlich nicht haltbare System verschiedener Überwachungsinstrumente einzuführen und zu betreiben, hat er wohl kaum alleine getroffen und umgesetzt. Offenbar ist die Entscheidung, die Überwachungssysteme unverändert weiter zu betreiben, auf einer gemeinsamen Sitzung von Aufsichtsrat und Vorstand des Taxi-Rufs gefällt worden, und zwar nach einem Gespräch am 02.11.12, in dem die IG ihre begründeten, ernsten Bedenken mitteilte.
Für die Rechtsberatung der Führungsriege ist vermutlich der Datenschutzbeauftragte des Taxi-Ruf, Dr. Kay Gunkel, zuständig gewesen, der außerdem
Rechtsanwalt des Taxi-Ruf ist - aber als DSB wie auch als Rechtsanwalt nur auf
Weisung seiner Auftraggeber, dem TR, handelt und wie jeder Auftragnehmer auch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis steht.