Verbandspräsident Müller ließ in einer Pressemitteilung wissen, dass sich „die Branche ohne zu mogeln“ dem Mindestlohn stellen würde. Dafür sollen die Tarife angehoben werden, so der Geschäftsführer Grätz. An einer anschließenden Podiumsdiskussion nahmen auch Vertreter der Bundestagsparteien teil. Dennoch: Zumindest die öffentlichen Äußerungen klingen zwar politisch geschliffen. Jedoch gehen sie auch ein bißchen am Kern vorbei.
Grätz gab an, dass der derzeitige Stundenlohn in der Branche bei ca. 6,50 € liege. Um auf den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € zu kommen, müssten die Tarife um 25 % steigen. Dadurch erwartet der BZP einen Strukturwandel, so würden die Lohnkosten die "selbstfahrenden Taxiunternehmern" tendenziell wieder fördern.
Grundsätzlich kann man die Äußerung des Unternehmerverbandes begrüßen, sich einer unausweichlichen Herausforderung stellen zu wollen. Außerdem ließ sich Müller zitieren: „Es wird von unserer Seite keine Trickserei geben und kein Mogeln“ – in anderen Branchen eine Selbstverständlichkeit. Derzeit wird nach einem eigentlich gesetzeswidrigen Provisionslohnsystem bezahlt. Ca. 45 % brutto ist üblich. Dass der BZP eine Abkehr von dieser Praxis anstrebt, ging aus der Pressemitteilung nicht hervor.
Ob das also genug der politischen Signale war, darf bezweifelt werden. Taxifahrerverbände kommen nämlich auf abweichende Zahlen. Bei einem durschnittlichen Umsatz westdeutscher Großstädte von ca. 13,00 €/h (brutto) kommen Taxifahrer auf einen Stundenlohn von 5,20 € - so handelt es sich um so genannte „Midi-Jobs“, die vom Steuerzahler subventioniert werden - trotz unzulässiger Arbeitszeiten von 50 oder 60 Stunden in einer Woche. Vorausgesetzt die Nachfrage würde bei angehobenen Tarifen steigen, würde eine Tarifanhebung um 25 % bei gleich bleibend schlechten Entlohnungsbedingungen lediglich einen Lohn von 7,30 €, und nicht von 8,50 € bedeuten. Viele Fahrer wären dann immer noch auf Transferleistungen angewiesen.
Andersrum entstünden einem Unternehmer bei einem Stundenlohn von 8,50 € ca. 10,20 € Arbeitskosten, wahrscheinlich eher 11 €/h. Bei einem Brutto-Umsatz von 16,25 € blieben nach Abzug vom Umsatzsteuer u. z.B. von Disagio für den Taxi-Ruf durchschnittlich 14,50 €. Zur Kostendeckung stünden dann noch 4,30 € zur Verfügung. Hier greifen die Vorschläge des Unternehmerverbandes zu kurz. Und das müsste ihm auch klar sein.
Ein größeres Potenzial wird dabei einfach verschwiegen, nämlich die Steigerung der Auslastung. Dass die Umsätze so ruinös niedrig sind, liegt allein an der Freigabe von Konzessionen und an dem eigentlich gesetzwidrigen Provisionslohnsystem. Denn für den Mehrwagen-Unternehmer lohnte sich ein kleiner Umsatz immer noch mehr als kein Umsatz, da er quasi keine fixen Lohnkosten abzudecken hatte. Also heißt die Devise „je mehr Wagen im Einsatz, desto besser“ – ein System der Ausnutzung der Angestellten.
Die Realität sieht nämlich so aus, dass es in allen deutschen Großstädten ein eklatantes Überangebot an Taxen gibt. Die Auslastung ließe sich leicht verdoppeln, da die Taxen ohnehin nur zu 25 % ausgelastet sind. Eine Halbierung der eingesetzten Fahrzeuge würde zu einer Umsatzverdoppelung führen, ohne dass die Taxi-Tarife angehoben werden müssten. Eine massive Tarifanhebung ist also ganz und gar nicht, wie Grätz sagte, "unausweichlich".
Statt Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden wären auch 30 Stunden denkbar. Bei einem verdoppelten Umsatz von 26,00 €/Stunde brutto blieben dem Unternehmer nach Abzug der (fixen) Lohnkosten satte 13,00 € zur Kostendeckung! Legt man doppelte km-Leistungen zu Grunde, bleibt immer noch eine Steigerung um über 160 %. Weitere positive Aspekte, wie eine bessere Planbarkeit von Wartungs- und Arbeitszeiten sowie verringerte Unfallzahlen durch besser erholte Angestellte (sowie durch den Wegfall des sicherheitsgefährdenden Akkordlohns) kämen hinzu.
Seitens der Unternehmer müsste man dazu so genannte „Flottensteuerungen“ umsetzen – oder, seitens der Genehmigungsbehörden, auch Dienstpläne aufstellen. Hier waren in der Vergangenheit beide untätig. Da wirken die Äußerungen des BZP in seiner Pressemitteilung doch noch nicht wirklich überzeugend.