Eingangs ging es zunächst darum, die Kollegen und Kolleginnen über den Mindestlohn zu informieren, also kurz die Fakten zusammenzufassen.
Der Mindestlohn gilt mit einigen wenigen Ausnahmen ab dem 01.01.2015 für nahezu alle Arbeitnehmer in Deutschland.
Die Versuche des BZP, mit Verdi kurz vor Toresschluss einen Tarifvertrag auszuhandeln, der einen Mindestlohn im Taxigewerbe von 6,80 € brutto, eine Schichtlänge von 12 Stunden, mehr als 40 Wochenstunden Arbeitszeit und eine 6-Tage-Woche vorsieht, sind grandios gescheitert. Völlig zu Recht!
Insofern gilt der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 €/Stunde allem Gejammer & Gezeter zum Trotz auch im Taxigewerbe. Dieser Mindestlohn ist ab dem 01.01.2015 einklagbares Recht eines jeden Taxifahrers, egal ob er als Aushilfe oder als festangestellter Fahrer arbeitet.
Weiter beinhaltet das Mindestlohngesetz eine jährliche Prüfung seiner Höhe, d.h., es ist entsprechend sowohl der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung in Deutschland als auch der allgemeinen Teuerungsrate (Inflation) eine Anpassung des Mindestlohns vorgesehen. Somit ist ein Mindestlohn in Höhe von 10 € und mehr in den nächsten Jahren durchaus realistisch und aus Sicht nicht nur der IG auch absolut angemessen.
Der Mindestlohn in Höhe von 8,50 €/brutto entspricht bei einer normalen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche in der Steuerklasse I und IV einem Nettoentgelt von 6,25 €/Stunde. Das ergibt ein Nettogehalt von rund 1050 € im Monat, nicht eben üppig, aber eben auch nur eine Absicherung nach unten.
In der anschließenden Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen wurde schnell deutlich, dass wir Taxifahrer alle den Mindestlohn im Prinzip begrüßen, aufgrund unser langjährigen Erfahrungen mit dem Taxigewerbe aber wissen, dass es den Mindestlohn für Taxifahrer nicht geben wird!
Jedenfalls nicht ohne Unterstützung durch die Politik (die den Mindestlohn ja auf den Weg gebracht hat), nicht ohne die Öffentlichkeit (die von den skandalösen Verhältnissen im Taxigewerbe keinen blassen Schimmer hat), und nicht ohne eine massive Kontrolle seitens des Zoll (um u.a. über Plausibilitätsprüfungen die “schwarzen Schafe” aus dem Gewerbe zu drängen).
In einer Berichtsrunde aller Teilnehmer unserer Veranstaltung wurden unsere schlimmsten Befürchtungen wahr: nahezu alle Unternehmer lassen ihr Fahrpersonal bis dato völlig im Dunkeln, selbst auf Nachfragen kommen außer dummen Sprüchen à la “Den Mindestlohn kann ich Dir nicht zahlen” oder “Bei 250 € Umsatz alles kein Problem” keinerlei Informationen darüber, wie es in Zukunft weitergehen soll. Andere Unternehmer geben ganz offen zu verstehen, dass sie den Mindestlohn nur auf dem Papier “zahlen” werden und ansonsten beim Prinzip der Umsatzbeteiligung bleiben werden. Wieder anderen Kollegen und Kolleginnen ist bereits gekündigt worden.
Einzig ein Mehrwagenunternehmer hat auf einer Betriebsversammlung seine angestellten Fahrer informiert, in Einzelgesprächen nach Änderungskündigung neue Arbeitsverträge angeboten, und zusätzlich zum Mindestlohn von 8,50 € Prämien bei überdurchschnittlichen Umsätzen festgelegt.
Der absolute Hammer ist aber das “Angebot” verschiedener Großhalter (die Namen sind der IG bekannt) an ihre angestellten Fahrer, in eine Kommanditgesellschaft (KG) einzutreten. Vormals angestellte Taxifahrer können mit einer Einlage in Höhe von z.B. 5.000,- € Kommanditisten bei ihrem Arbeitgeber werden. Sie sind damit Teilhaber in Höhe ihrer Einlage, müssen sich aber privat Kranken- und Rentenversichern, tragen einen Großteil der Betriebskosten (die Rede ist von pauschal 1.500,- € ohne Kranfstoff) und schultern damit ein erhebliches Betriebsrisiko ohne Aussicht auf irgendeine gesonderte Gewinnbeteiligung. Die KG dient in diesem Zusammenhang einzig und allein dazu, den Fahrern zusätzliche Lasten & Risiken aufzubürden, sich als Unternehmer zusätzliches Kapital zu verschaffen (in dessen Einlagehöhe der sog. Kommanditist haftet) und führt faktisch dazu, dass die so nötige Gesundung des Taxigewerbes auf eine unbestimmte Zukunft verschoben wird bzw. sich nur für den Komplementär ergibt. Wir können nur dringend davor warnen sich auf solche dubiosen Angebote einzulassen!
Gleichzeitig - und das ist wichtig - hat der Taxi-Ruf eine Tariferhöhung um gut 25 % in zwei Schritten beantragt, damit der Mindestlohn bezahlbar wird. Wenn Taxifahrer entlassen, in Schwarzarbeit genötigt oder über dubiose Kommanditgesellschaften in den Status überausgebeuteter “Subunternehmer” gedrängt werden, ist jede Tariferhöhung einzig und allein ein Zusatzgewinn für kriminelle Taxiunternehmer!
Die Versammlung war sich einig darüber, dass genau mit diesen Machenschaften endlich Schluss sein muss! Hartz IV-Empfänger, die nebenbei als Taxifahrer arbeiten - kein Problem. Aber Hartz IV-Empfänger, die 100 bis 450 € “Nebenverdienst” anmelden, aber 5 bis 6 volle Schichten pro Woche malochen ist (nicht nur) für unser Gewerbe völlig untragbar. Kein selbstfahrender Unternehmer und kein voll angemeldeter sozialversicherungspflichtiger Taxifahrer kann damit konkurrieren.
Die Versammlung war sich weiter darüber einig, dass es ebenso wie in zahlreichen Städten in Deutschland in Bremen zu viele Taxen gibt, dieses Überangebot aber eben genau zu den Verzerrungen im Gewerbe führt, die das Taxigewerbe so nachhaltig in die Krise geführt hat. Viele Konzessionen wollen im Einsatz sein, das Geschäft gibt einen “Full-time-Einsatz” nicht her, Flottensteuerungen und Dienstpläne sind über die Taxenzentralen kaum organisierbar, und die Genehmigungsbehörden sind in der Regel unfähig, die Erfordernisse des Marktes zu erkennen. Wie ist es sonst zu erklären, dass z.B. in Bremen in den letzten 15 Jahren bei schwindendem Geschäftsaufkommen rund 30 neue bzw. zusätzliche Konzessionen erteilt worden sind?
Hier ist aktuell die Politik gefordert, Bedingungen im Taxengewerbe zu schaffen, die eine Umsetzung des Mindestlohns möglich machen. Ohne tief greifende strukturelle Veränderungen wird dies nicht möglich sein.
Dazu gehört nach Ansicht der IG u.a.:
Dies wurde von den Teilnehmern der Versammlung unterstützt. Allen Beteiligten war gleichwohl klar, dass wir Taxifahrer uns auch von lieb gewonnen Gewohnheiten werden trennen müssen. Nicht jedem Kollegen werden z.B. Dienstpläne gefallen, die in Zukunft bei jeder wie auch immer organisierten Flottensteuerung aber zwingend nötig sein werden. Viele Kollegen können sich nicht vorstellen für einen Brutto-Stundenlohn von € 8,50 an Sylvester, in Samstag-Nächten oder bei lukrativen Großveranstaltungen im Dauerstress zu malochen, ohne Zusatzeinkommen generieren zu können. Und der eine oder andere Kollege hat sich im Laufe seiner Tätigkeit einen eigenen Kundenstamm mit entsprechenden Umsatzgarantien aufgebaut und ist deshalb überhaupt nicht gut auf den Mindestlohn zu sprechen.
Der Taxi-Ruf Bremen und die Fachvereinigung Personenverkehr Bremen fordern, wie anderenorts fast alle Taxiverbände auch, eine drastische Tariferhöhung zur Umsetzung des Mindestlohnes. Statt seine Einführung jedoch als einen Gewinn und als eine Chance zu begreifen, die so nötigen Strukturreformen im Taxigewerbe endlich anzupacken, verlegen sich die Unternehmer derweil auf diverse Ausweichstrategien zur Umgehung des Mindestlohnes
Wir angestellten Taxifahrer sehen entweder unserer Kündigung entgegen oder müssen uns auf den üblichen Abrechnungsbetrug einlassen oder riskieren gar als zukünftiger KG-Sub-Unternehmer Kopf und Kragen.
So profitieren vom Mindestlohn und der damit einher gehenden Tariferhöhung zunächst die Taxiunternehmer - zumindest bis zum 01.01.2017. Dann ist auch das Fiskaltaxameter Gesetz und der massenhafte Abrechnungsbetrug im Taxengewerbe (hoffentlich) Geschichte.
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Rainer (Sonntag, 12 Oktober 2014 21:07)
Eigentlich ein Skandal, was der BZP als Organisation, der auch der Bremer TR angehört, da gefordert hat. Was heute schon gesetzliche Mindestarbeitsbedingungen sind, sollte per Tarifvertrag unterlaufen werden. Mit anderen Worten: Illegales sollte legalisiert werden. Es ist so empörend und ich bin entsetzt, dass es in der Öffentlichkeit fast gar kein Echo dazu gab! Daran kann man sehen: Wir als Taxifahrer stehen ganz unten in der Gesellschaft! Wir müssen uns mit aller Kraft wehren. Sonst sind die Ehrlichen nachher wieder die Dummen.
Oder war es vielleicht auch Kalkül des BZP, weil man in den letzten Jahrzehnten einen rechtsfreien Raum geschaffen hat, Steuern in Millionenhöhe hinterzogen und sich an Schwarzarbeit bereichert hat, den man in Zukunft weiter ausschöpfen möchte?
In jedem Fall brauchen wir die Hilfe der Politik und die Öffentlichkeit. Zu der Arbeit der IG kann ich euch nur gratulieren. Die IG ist in Bremen die einzige Organisation, die die Themen anpackt und die Fahrer informiert. Weiterso!
Mitstreiter (Sonntag, 12 Oktober 2014 22:28)
Man hat bisher gedacht, jetzt wo der ML unumstößlich geworden ist, würden die Unternehmer in Bremen endlich die Ärmel hochkrempeln, die aufgerissenen Umschläge beiseite legen und endlich Maßnahmen ergreifen, um den ML auch zahlen zu wollen. Stattdessen laufen diese Unternehmer kopflos durch die Gegend und verschwenden Energien mit Gedankenspielen wie man diesen doch noch umgehen könnte. Der eine versucht es mit der Gründung einer KG und möchte seine bisher angestellten Fahrer an dieser KG als Kommanditist beteiligen. Ein anderer versucht es mit Änderungskündigung und einer sehr eigenwilligen Interpretation von Arbeitszeit bzw. Bereitschaftsdienst. All dies wird den ML in letzter Konsequenz verhindern. Selbst, wenn Fahrer sich auf dubiose Vereinbarungen einließen, so bleibt der Anspruch auf ML bis zu 3 Jahre rückwirkend einklagbar. Ein gefährliches Spiel...die Unfähigkeit der Taxenunternehmer überrascht mich nicht, inakzeptabel ist aber hier auch wieder die Rolle des Vorstandes beim TR Bremen. In der Öffentlichkeit wird die Tariferhöhung als notwendig verkauft, um den ML ab 1.1. 2015 zahlen zu können. Die Einwohner der Stadt Bremen haben hierfür schon sehr begrenzt Verständnis, gar keines haben diese jedoch, wenn diese Mehreinnahme nicht für die Bezahlung der Fahrer verwendet wird. Dann darf es auch keine Tariferhöhung geben. Die Politik ist schon lange sensibilisiert. Wenn die Tariferhöhung vermeintlich nicht ausreicht, dann muss der Vorstand sich um neue Umsatzmöglichkeiten bemühen, außer einem bereits 10 Jahre alten Konzept aus Berlin kam da bisher nichts. Stattdessen laufen diverse Unternehmer durch Bremen und überprüfen die Einhaltung des Rauchverbots in den Fahrzeugen. Es wäre schließlich ein Gesetzesverstoss, nein es ist eine Ordnnungswidrigkeit ! Ein Verstoß ist die die Nichtzahlung des ML!! Nichts Neues, man versucht wieder einmal von den wichtigen Themen abzulenken. Schwarzarbeit und Steuerhinterziehungen im großen Stil, der ML hätte Chancen das Gewerbe langsam gesunden zu lassen, aber nur wenn man es will !
Paula (Dienstag, 14 Oktober 2014 12:56)
Zitat - Viele Kollegen können sich nicht vorstellen für einen Brutto-Stundenlohn von € 8,50 an Sylvester, in Samstag-Nächten oder bei lukrativen Großveranstaltungen im Dauerstress zu malochen, ohne Zusatzeinkommen generieren zu können. Und der eine oder andere Kollege hat sich im Laufe seiner Tätigkeit einen eigenen Kundenstamm mit entsprechenden Umsatzgarantien aufgebaut und ist deshalb überhaupt nicht gut auf den Mindestlohn zu sprechen. - Zitat Ende
Wie ist das zu verstehen?
Für mich liest es sich, als dürften die Fahrer nun nicht mehr als 8,50 Euro/Std verdienen - was ja nicht stimmt.
Wer gut einfährt dem wird doch nicht der Lohn auf 8,50 Euro/Std runtergekürzt ;)